
Ich freue mich über unseren Garten. Die Erntezeit hat wieder begonnen! Die ersten Radieschen aus dem Treibhaus sind schon abgeerntet, und auf dem Hochbeet zeigt sich die Radieschenreihe der Folgesaat, nachdem es nun endlich geregnet hat. Nun achten wir darauf, wann sich wohl die ersten Schnecken zeigen, denn sobald es feucht ist, sind sie natürlich wieder das Ärgernis Nummer Eins im Garten. Aber noch ist Ruhe, kein Schneckenalarm! Das waren noch Zeiten, als es diese ekligen braunen Nacktschnecken hier bei uns noch nicht gab. Die werden wir nun nicht mehr los!
Der Rhabarber ist wieder verfügbar für leckeren Kuchen, Kompott oder Grütze. Der Bärlauch steht schon in Blüte. Davon wurde reichlich geerntet.
Im Treibhaus steht die Petersilie vom Vorjahr noch ganz üppig. Petersilie ist irgendwie eigenwillig. Entweder sie wächst wie verrückt, oder sie kommt gar nicht richtig und nur spärlich auf. Das war bei meiner Mutter schon so. Ich erinnere mich, als wir bei einer Nachbarin waren, um dort Petersilie zu holen. „Wie mokst du dat mit dien Petersill, Irmi? Mien wart immer nix. De wart immer geel und denn is Schluss dormit. Denn kann ick de man rutrieten.“ Irmi meinte: „Ganz eenfach. Wenn ick morgens de Putt uutgeeten do, denn kricht de Petersill aff un too son Flaach dorfun aff!“ Ich dachte nur: „Igitt. Ich esse keine Petersilie mehr!“ Aber logisch, ein guter Dünger, der Nachttopfinhalt! Ich weiß nicht, ob meine Mutter den Rat befolgt hat. Damals stand ja noch überall unter den Betten der Nachttopf. Der Weg zu „Tante Meier“ war nachts etwas weit und unbequem.
Wenn die erste Brennnesseljauche fertig gegoren ist, dünge ich damit das Gemüse, rein pflanzlich. Aber das mit der Petersilie bleibt Glücksache. Alles gelingt eben nicht. Der Salat wächst bei uns schon im Treibhaus in verschiedenen Sorten und wird auch in Smoothies verarbeitet. Wir können vom Frühjahr bis zum Frost Salat ernten und im frühen Frühjahr den Feldsalat.
Früher gab es den Salat mit Buttermilch und etwas Essig oder auch mit der Sahne, die von der frischen Milch abgerahmt wurde und natürlich mit Zucker. Zitronen kaufte meine Mutter nicht. Es wurde genommen, was sowieso im Haus war. Speiseöl war in Mutters Haushalt auch noch nicht vorhanden. Ich fand den Salat sehr lecker, sogar wenn er schon sehr „labberig“ war, wenn ich später aus der Schule kam. Wenn der Salat abgeerntet war, dann gab es eben keinen mehr. Darum war es etwas Besonderes.
Schnüsch mochte ich auch sehr gerne. Diese Spezialität aus Angeln gibt es heute immer noch und sogar ab und zu beim Schlachter in Süderbrarup. Am besten schmeckt das Gericht mit „neuen“ Kartoffeln. Uns schmeckt es auch ohne Schinken.
Meine Mutter hat sehr viel eingeweckt. Eine Gefriertruhe gab es erst später. Sie war sehr stolz, wenn im Keller ihre über fünfzig Gläser mit eingekochten Bohnen standen. Ich konnte keine Bohnen mehr sehen. Jede Woche gab es einmal Bohnen zum Mittag! Beschwert habe ich mich öfter. „Was, schon wieder Bohnen?“ Meine Mutter muss mir den „Bevorratungsvirus“ vererbt haben. Ich friere Bohnen ein, und es sind jedes Jahr etliche Tüten davon in der Truhe. Die Regale in unserer Speisekammer sind jeden Herbst gefüllt. Es ist mir aber nie gelungen, die Senfgurken so „hinzukriegen“ wie meine Mutter. Ich habe es aufgegeben. Ich bilde mir aber ein, dass meine Kocherei etwas vielfältiger und abwechslungsreicher ist. Das ist kein Wunder. Wir können jederzeit (noch) kaufen, was wir brauchen. Die Ess- und Kochgewohnheiten haben sich dadurch verändert, auch wegen der Vielfalt der Gewürze. Früher standen auf dem Regal in Mutters Küche nur Salz, Pfeffer, Muskat und Zimt. Auf mein Anraten wurde dann Paprikapulver gekauft, für das Gulasch, das es dann auch mal mit Nudeln gab. Ansonsten war die Kartoffel die Hauptsache. Ich weiß noch, dass mein Onkel immer seine Kartoffeln bekam. Die Nudeln waren für ihn das „Gemüse“ zum Gulasch.
Wir sind heutzutage sehr verwöhnt. Saisonal essen ist nicht wie früher notwendig. Momentan lieben wir den Spargel, frieren davon auch ein. Wir kaufen keinen Spargel außerhalb der Spargelzeit. Auch Erdbeeren gibt es frisch nur in der Erdbeerzeit, ansonsten eingefrorene.
In Mutters Keller stand der sogenannte „Fliegenschrank“, dat Fleegenschapp. Ein sehr feines Drahtgitter sorgte dafür, dass kein Ungeziefer ans Fleisch, den Speck oder den Schinken gelangen konnte. Die „Brummer“ waren gefürchtet, weil diese gern ihre Eier darauf ablegten. Einen Kühlschrank hatten wir nicht. Im Keller war es kühl genug. Manchmal fanden wir Frösche oder Eidechsen im Keller, die außen beim Kellerfenster heruntergefallen waren und durchs Fenstergitter in den Keller kamen. Sie wurden vorsichtig wieder nach draußen gebracht. Die Kellertür musste immer geschlossen sein, damit die Katze nicht hinunter konnte.
Der Schinken hing unterm Strohdach in einem Leinenbeutel. Wenn davon gegessen werden sollte, wurde er abgewaschen und einiges weggeschnitten, was „nicht so gut aussah.“ Dicke Scheiben legte man in Milch ein, um das Salz herauszubekommen. Dann wurden die Scheiben paniert und gebraten. Ein leckeres Essen, mit gestoften Bohnen oder Rüben, und Schnüsch war ohne Schinken ganz undenkbar. Sicher werden diese Gerichte in Angeln immer noch gegessen. Aber der Schinken wird nicht mehr unter Strohdächern aufbewahrt, sondern frisch vom Schlachter geholt.
Es ist einfach wichtig, dass wir unsere Lebensmittel wieder mehr schätzen lernen. Viel zu viel wird weggeworfen. Auch aus Resten können wir ein schmackhaftes Essen zubereiten, ein paar neue Zutaten hinzufügen, und schon ist es ein neues Gericht. Außerdem geht’s oft auch schneller.
„Dat Fleegenschapp“ hat ausgedient. Heute haben wir eine moderne Vorratshaltung. Aber irgendwie war es mir ein Bedürfnis, ihn mal in Erinnerung zu bringen, damit er nicht ganz vergessen wird, der Fliegenschrank in den Kellern.
Herta Andresen
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