
Die dunklen Tage in den letzten Wochen vor Weihnachten und die Adventszeit lassen mich immer wieder in Gedanken zurückwandern in eine ganz andere Vorweihnachtszeit. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, aber uns daran erinnern, wie es zu unserer Kinderzeit war.
Meine Mutter fuhr mit mir und meinem kleineren Bruder gern nach Kappeln zum Schaufenster-Gucken. Der Bahnhof war von uns gut zehn Minuten Fußmarsch entfernt. Wir spazierten durch den Wald und bei unserem Nachbarn über den Hofplatz, dann auf der Bundesstraße noch ein kleines Stück, und schon war der Faulücker Bahnhof erreicht. Nach Kappeln war es nicht so weit, dass man unbedingt mit dem Zug fahren musste. Aber in der dunklen Jahreszeit benutzten wir gerne die Bahn. Ich fuhr auch mit dem Fahrrad zur Schule nach Kappeln, nur im Winter mit der Kreisbahn. Ich fand es immer so schön, bei der Fahrt aus dem Fenster zu schauen.
In Kappeln angekommen brauchten wir auch nicht lange bis in die Stadt, ein paar Minuten nur, und schon standen wir bei Eisen-Jöns vor den Schaufenstern, das ersehnte Ziel meines Bruders. Er staunte über die elektrische Eisenbahn, die dort ihre Runden drehte. Kinder drückten sich die Nasen platt an den Fensterscheiben. Mich interessierten die Dinge, die man im Laden ansehen konnte, sehr viel mehr. Dann gab es auch noch einen anderen Laden mit Spielzeug, von allen nur Pott-Sander genannt. Auch dort gab es eine Eisenbahn im Fenster. Anschließend, wenn wir Kinder erst mal zufrieden waren, kam das Textilgeschäft „Plath und Thiemann“ dran. Meine Mutter besorgte für uns Kinder Kleiderstoff. Ich durfte auch beim Aussuchen mitreden, aber begeistert war ich nie davon. Es gab zu Weihnachten immer etwas Neues zum Anziehen, genäht von der Großmutter oder von der Schneiderin, die ihre Nähstube in Kappeln in einer Seitenstraße hatte. Das Ergebnis für mich war dann ein kariertes Kleid mit einem abknöpfbaren weißen Kragen und einem Saum, den man ein paar Jahre lang „auslassen“ konnte. Danach bekamen meist meine jüngeren Kusinen das Kleidungsstück. Natürlich aus heutiger Sicht sehr nachhaltig.
Die Stadt war weihnachtlich beleuchtet, aber im Gegensatz zur heutigen Zeit sehr dezent. In der Querstraße gab es die sogenannte Obstbörse, ein sehr kleiner Laden, vollgestopft mit gesunden Köstlichkeiten: Mandarinen, Apfelsinen, Feigen und Datteln. Die Inhaberin war alt und ihr ebenfalls alter Schäferhund lag mit in dem Laden. Man kam kaum an ihm vorbei oder musste über ihn drüber steigen. Noch heute kommt mir bei einem bestimmten Spruch dieser Hund in den Sinn. (Kommt man übern Hund, dann kommt man auch über
n Steert!). Meine Mutter gönnte uns eine Tüte mit Mandarinen und kaufte auch von den Trockenfrüchten und Paranüsse.
Nachdem die Besorgungen erledigt waren, kam für mich das Beste, nämlich das Café Matthiesen, in dem es eine Musikbox gab. Außerdem hieß ich ja auch Matthiesen, das war für mich als sei es mein Café.
Zu Hause wieder angekommen war es dann inzwischen dunkel und meine Mutter ging in den Kuhstall. Wir Kinder liefen dann zu Oma und Opa in die Stube und erzählten, was wir gesehen hatten. Und natürlich, was wir uns zu Weihnachten wünschten.
Ich habe als Kind viele Strohsterne gebastelt. Dafür mussten die Halme gebügelt werden. Am schönsten sahen die Halme des Hafers aus, so schön gelb. Ein Adventskranz war bei uns nicht üblich, stattdessen eine Adventsschale aus Porzellan mit vier Vertiefungen für die Kerzen. Wasser wurde in die Öffnungen gegossen, sodass die darin verteilten Tannenzweige nicht sofort die Nadeln verloren. Diese Schale meiner Mutter besitze ich noch, und sie wird jedes Jahr wieder hervorgeholt.
Wir durften an jedem Samstag vor den Adventssonntagen unseren Puschen (Hausschuh) ins Fenster stellen. Am nächsten Morgen fanden wir dann darin einen Zuckerkringel oder eine der hier in Angeln (noch immer) sehr belieben Figuren, die mit Rote-Bete-Saft bemalt wurden. Meist waren es Tierfiguren oder Weihnachtsmänner. Meine Mutter sagte immer: „Dor binnen is blots Water und Wehdaag!“ Ich habe auch später diese „Weihnachtstiere“ gebacken. Es macht aber einige Mühe. Inzwischen kaufen wir sie beim Bäcker, denn einige Bäcker hier in Angeln stellen dieses Traditionsgebäck zum Glück immer noch her.
Bei unserem Bäcker in Faulück stand jedes Jahr wieder ein wunderschönes Pfefferkuchenhäuschen im Schaufenster. Es war von innen beleuchtet mit rotem Licht. Die Hexe schaute aus der Tür, und Hänsel und Gretel standen davor. Eine schwarze Katze war natürlich auch dabei.
Am Weihnachtsabend war der Tannenbaum das Allerschönste für mich. Mit richtigen echten Kerzen, meinen gebastelten Strohsternen und dem alten Weihnachtsschmuck ist und bleibt dieser Baum für mich in der Erinnerung immer der allerschönste. Wenn die Kerzen angezündet waren, schauten wir auf den Baum. Schon wegen der Brandgefahr durfte man dann das Zimmer nicht verlassen. Im Flur stand ein Eimer mit Wasser bereit, für alle Fälle. Immerhin hatte unser Haus ein Strohdach!
Ich liebte den gläsernen Schneemann so sehr, und jedes Jahr war er das erste, was ich an dem Baum suchte. Ich habe diesen gläsernen Schneemann noch heute an unserem Weihnachtsbaum, denn ich habe ihn mit einigen anderen uralten Weihnachtskugeln von meiner Mutter geerbt und hüte ihn sehr. Er wird immer ganz besonders vorsichtig aus- und wieder eingepackt. Genauso einen kann man nicht mehr kaufen.
Ich frage mich immer, was mit all dem Weihnachtsschmuck geschieht, der in den Baumärkten oder woanders zum Kauf angeboten wird. So viel kann doch kein Mensch gebrauchen. Oder schmücken die Menschen ihre Christbäume jedes Jahr anders?
Geht so viel kaputt? Muss es denn immer wieder etwas Neues sein? Bin ich so altmodisch? Klar kommt mal auch bei mir das eine oder andere Teil dazu. Aber wird das alte dann weggeworfen?
Inzwischen ist es so, dass Strom gespart werden soll; Energie ist teuer geworden. Dann werden die üppigen Weihnachtsbeleuchtungen wohl etwas bescheidener werden. Das finde ich nicht schlimm. Es kann ja alles übertrieben werden.
Während meiner Dienstzeit habe ich diese Weihnachtsbeleuchtungen überall unterwegs immer sehr genossen. Lichter in der Dunkelheit sind uns Menschen doch wichtig. Auch wir schmücken jedes Jahr an unserem Haus eine Tanne, und in diesem Jahr stellen wir fest, wie sehr sie schon wieder gewachsen ist. Hoffentlich reicht die Lichterkette noch aus!
Herta Andresen
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