Die Nachhaltigkeit unserer Großmütter und Mütter – Oder auch: Schlüpferblau

Wir wollen auf unserer Terrasse das Mittagessen einnehmen. So oft kam es noch nicht vor, dass wir hier draußen essen konnten, das Wetter erlaubte es nicht. Und deshalb ist der Tisch ziemlich dreckig, igitt, lauter Vogelschiss! Ich hole mir den dafür vorgesehenen Wischlappen und schrubbe die hölzerne Tischplatte gründlich ab. Den Lappen hänge ich anschließend zum Trocknen im Schuppen auf einem nicht benutzten Gartenstuhl auf. „Eigentlich könnte ich den Lappen entsorgen“, denke ich, „der ist ja schon so schäbig, es lohnt sich nicht, den nochmal mit in die Waschmaschine zu stecken.“
Wie war das eigentlich früher? Man hat sich keine Putzlappen gekauft, nicht in dem Maße, wie es heutzutage in allen Farben und für jeden Gebrauch üblich ist. Ausrangierte Kleidungsstücke und Handtücher wurden als Putzlappen zugeschnitten und somit weiterverwendet, sogar gesäumt, damit sie nicht ausfransten.
Es gab hellblaue Feudel (von nicht Plattdeutschkenntlichen auch Aufnehmer oder Bodentuch genannt) aus Interlockunterwäsche, die mit der Zeit dann zu einem einheitlichen Grau mutierten. Wenn im Sommer der „Handelskerl“ (Handlungsreisender) mit seinem voll bepackten Fahrrad auftauchte, kaufte meine Mutter zwar ab und zu die Waffelfeudel bei ihm, aber meine Oma meinte immer, dass ihre „Plünnfeudel“ viel besser wären. Die kosteten ja auch nichts. Die Interlockunterhosen in Hellblau kaufte sie aber regelmäßig ab. „Ik mutt mol wedder `n poor Faatdöker un Feudel torechtsnieden. De dore Lappen dor is nu aver nich mehr to bruken. Een mol schlitt allens op. De ole Ünnerbüxen sünd dorför genau dat Richdiche“, meinte sie: „De nähmen goot op.“ Und suchte aus dem „Plünnsack“ (Aufbewahrungsbeutel für Lumpen), wie sie ihn nannte, die für diesen Zweck verwahrten Sachen hervor.
Von Opas langen Unterhosen wurden die Beine abgeschnitten und auseinandergeklappt und dann zur richtigen Größe als „Faatdook“ zurechtgeschnitten. Diese Putzlappen wurden auf hochdeutsch „Fatuch“ genannt, was ja wohl ein merkwürdiges Hochdeutsch ist, das an die Petuhtanten erinnert. Wenn man denn weiß, was die Petuhtanten sind. An Bettwäsche und Oberhemden noch vorhandene Knöpfe wurden abgetrennt und in einer Blechdose aufbewahrt. Diese Knöpfe dienten uns Kindern als Spielzeug. Wir fädelten sie auf einem Wollfaden auf, sortierten sie und ließen unserer Fantasie dabei freien Lauf. So viele verschiedene Knöpfe! Ab und zu wurde dann mal einer gebraucht. Wenn man denn den passenden fand!
Ich besitze heute noch den Knopfkasten meiner Mutter mit einer bunten Mischung darin. Unsere Geschirrhandtücher sind zum Teil schon sehr alt. Es gibt nämlich immer noch einige, die aus alten weißen Tischtüchern genäht wurden. Man kann es an dem Muster erkennen. Sie sind inzwischen sehr dünn geschlissen, eignen sich aber gerade deshalb sehr gut zum Abtrocknen und Polieren von Gläsern. Da sie noch von meiner Schwiegermutter stammen, müssen sie sehr alt sein. Es sind teils noch eingestickte Monogramme zu erkennen.
Ich benutze aufgeschlissene Handtücher und Laken beim Malen, habe immer einen kleinen Stapel zurechtgeschnittener Lappen bereitliegen. Sie werden dann nach dem Gebrauch entsorgt. Also gibt es auch bei mir noch einen „Plünnsack“. Und alte, nicht mehr zu stopfende Socken sind zum Schuhe Blankputzen gut zu gebrauchen.
Wer erinnert sich noch an die „Fedderflunken“, die man dazu benutzte, die Asche aus dem Herd zu fegen? Die Aschenschublade wurde herausgezogen und die noch im hintersten Winkel verbliebene Asche konnte gut mit der Spitze des „Flunken“ herausgefegt werden. Ein „Fedderflunk“ ist ein sehr nachhaltiger Handfeger, ein Flügel von einer geschlachteten Gans oder einem Huhn. So etwas findet sich bei uns aber nicht mehr an. Diese Zeiten sind wohl doch vorbei. Genau wie die „Plünnfeudelzeit“.
Vor vielen Jahren bei einem Autokauf wurde uns eine Farbtafel vorgelegt, weil wir uns noch nicht für eine Farbe für unser neues Auto entscheiden konnten. Der etwas ältere Autoverkäufer meinte, der Trend gehe momentan hin zu mehr Farbe. „Dieses Blau gibt es auch in Metallic, dann sieht es nicht mehr so Schlüpferblau aus.“ meinte er. „Oh ja, Sie haben recht!“, sagte ich und dachte an die Unterhosen meiner Oma. Wir mussten lachen.
Und in der letzten Woche sahen wir in Süderbrarup auf einem Parkplatz für E-Autos zwei genau in dieser Farbe nebeneinanderstehen, und ich sagte zu meinem Mann: „Guck mal, Schlüpferblau!“ Ich musste daran denken, wann ich zum ersten Mal dieses Wort gehört hatte. Es wird nicht allzu viele Menschen geben, die mit dieser Farbbezeichnung etwas anfangen können. Aber der Trend geht eindeutig wieder hin zu mehr Farbe!
Herta Andresen