Als wir nach längerer Zeit hier in Schnarup endlich den ersehnten Glasfaseranschluss bekamen, stellte sich die Frage: „Sollen wir nun auch übers Internet fernsehen?“ Wir beschlossen, dass wir es nicht wollten. Damit es funktioniert, hätten wir einen neuen Fernseher gebraucht. Unser Bildschirm war groß genug, das Gerät auch noch nicht alt. „Nein, tut noch nicht nötig! Und brauchen wir das überhaupt?“ Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Aber – muss man alles mitmachen?
Als ich noch ein kleines Mädchen war, lief ich mit einer Freundin aus der Nachbarschaft oft nachmittags gegen 17 Uhr zu Tante Irma, fünf Minuten von uns entfernt. Dort gab es den ersten Fernseher in Faulückfeld! „Tante Irmi, dürfen wir die Kinderstunde sehen?“ Wir durften immer. Wir saßen auf dem Teppich vor dem faszinierenden Wunderkasten und schauten uns die Geschichten der Augsburger Puppenkiste an. Auch Zeichentrickfilme gab es zu sehen, zum Beispiel Bugs Bunny. Etwas Besonderes waren die Lassie-Filme und natürlich Fury. Nach einiger Zeit schaffte meine Mutter sich dann auch einen Fernseher an, wohl, weil wir Kinder sie genervt hatten, aber sicher auch, damit sie die Stücke des Ohnesorgtheaters sehen konnte und zu dem Zweck nicht zu den Nachbarn gehen musste. Eine Preisfrage war es auch, für meine Mutter eine große Ausgabe als junge Witwe mit zwei Kindern. In Kappeln gab es das Radio- und Fernsehgeschäft von Harro Mehne. Der brachte uns den Fernseher ins Haus, und meine Mutter schloss außerdem eine Fernsehversicherung ab, für den Fall, dass das Ding kaputt gehen sollte, und so wurde schon Geld für einen eventuellen neuen Apparat angespart. Nun begann eine herrliche Zeit. Jeden Nachmittag wurde um 17 Uhr das Kinderfernsehen angeschaltet. Abends durften wir Kinder nicht fernsehen; um 20 Uhr war für uns Bettzeit. Eine Ausnahme wurde selten gemacht. Ich liebte die Serie „Abenteuer unter Wasser“ von und mit Hans Hass. Es war nur in Schwarz-Weiß, aber weil man es nicht anders kannte spielte das überhaupt keine Rolle. Ein Highlight waren die Rosenmontagsumzüge im Februar. Das ging vormittags und gegen Mittag los. Sogar etwas weiter entfernt wohnende Jungs kamen, um sich das bei uns anzusehen. Unsere kleine Wohnstube war voll mit Kindern und auch Erwachsenen. Karneval kannten wir hier im Norden überhaupt nicht. Festlich geschmückte Wagen rollten durch Köln, Düsseldorf und Mainz. Leute standen oben auf den Wagen und warfen mit vollen Händen die Bonbons, die sie „Kamelle“ nannten, in die Menschenmenge. Wie gerne hätte ich da unten auf der Straße die Köstlichkeiten aufgefangen und aufgesammelt! So viel Naschereien bekamen wir Kinder ja in der damaligen Zeit nicht, und dort wurde damit um sich geworfen! Unfassbar! Meine Mutter machte uns Marmeladenbrot und spendierte Kekse. Sogar noch Reste der Weihnachtsbäckerei wurden verspeist. Die Funkenmariechen tanzten, der Prinzenwagen wurde angekündigt. Den Prinzen fand ich nicht besonders toll, und wo war die Prinzessin? Was „Helau“ und „Alaaf“ bedeuten sollte, war mir ein Rätsel. Gute zwei Stunden dauerte dieses Spektakel bei uns, dann gingen alle wieder nach Hause.
Die Fernsehgeräte wurden mit der Zeit immer größer. Irgendwann gabs Farbfernsehen. Heute ist das alles nichts Besonderes mehr. Immer mehr Werbung wird gezeigt, was uns ziemlich nervt, weil dadurch ein Film mehrmals unterbrochen wird. Man kann rund um die Uhr fernsehen, Ein Kinderfernsehprogramm sorgt dafür, dass jederzeit die Kleinen bespaßt werden können. Aber auch Lehrreiches gibt es genug. Alles hat seine zwei Seiten, besonders der Fortschritt. Junge Leute schauen kein Fernsehen mehr. Es funktioniert alles digital. Ich würde gern mehr etwas von der Mediathek ansehen. Mit dem Smartphone geht es, leider ist der Bildschirm zu klein. Auch eine Art Bildschirmvergrößerer nützt nicht viel. Das bedeutet, dass wir uns irgendwann vielleicht doch einen neuen Fernseher zulegen werden. Ich schaue gerne Sportsendungen. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wird nicht so viel gezeigt. Und auch sonst gibt es wohl doch Vorteile. Aber nun kommt erstmal die hellere Jahreszeit, und wir sitzen nicht mehr so viel vor dem Kasten. Ach nein, ein Kasten ist es ja auch nicht mehr. Nur noch eine große dicke Scheibe! Na, wir überlegen noch.
Herta Andresen