Eine Konfirmation war im Dorf immer ein gesellschaftliches Ereignis. Das ist sicher auch heute noch so, aber wohl nicht mehr in dem Maße. Die Wohnstuben wurden für die Feier, die immer zu Hause stattfand, oft extra gut hergerichtet, wenn nötig auch neu tapeziert. Größere Möbelstücke wurden für eine Weile entfernt, um für die Gäste Platz zu schaffen, denn es wurde an langen Tischen gesessen. Geschirr und Stühle mussten auch zum Teil in der Nachbarschaft ausgeliehen werden, wenn nicht genug vorhanden war. Der übliche Frühjahrsputz war erledigt, alles sauber und fein, wie es sich gehörte.
Es war ganz selbstverständlich, dass die Kinder konfirmiert wurden. Sie wurden nicht gefragt und rechtzeitig zum Konfirmandenunterricht angemeldet. Dorthin fuhr ich zwei Jahre lang einmal in der Woche nachmittags mit dem Fahrrad. Natürlich nicht unbedingt mit Begeisterung. Zum Gottesdienst wurde ich ab und zu von meiner Großmutter begleitet.
Für die Haupt- und Mittelschüler war mit der Konfirmation auch die Schulzeit beendet. Man „käm ut de School“ und fing mit einer Lehre an. Weil ich noch aufs Gymnasium ging, war das bei mir nicht so. Aber für die meisten fing der Ernst des Lebens mit 14 oder 15 Jahren an.
Der erste Alkohol durfte bei der Konfirmation „offiziell“ getrunken werden. Nein, nicht beim Abendmahl, denn dazu wurde man erst nach der Konfirmation zugelassen. Bei der Feier zu Hause gab es das erste Glas Wein, nur eines. Welches oft gar nicht schmeckte. Aber man war ja nun „erwachsen“ und es gehörte dazu.
Ich erinnere mich, dass meine Mutter mit mir lange vor meiner Konfirmation das Juweliergeschäft Rieger in Kappeln aufsuchte. Ich sollte mir ein Muster aussuchen, für mein Silberbesteck, dass ich nun „zu sammeln“ hatte. Denn es war üblich, dass sich Mädchen für die Aussteuer etwas wünschten, und wenn verschiedene Muster geschenkt würden, das wäre sehr unpraktisch gewesen. Also suchte ich mir dort mein zukünftiges Silberbesteck aus. Verschiedenes wurde mir vorgelegt. Schnörkeliges mochte ich gar nicht leiden. Es war nicht einfach, sich für etwas Bestimmtes zu entscheiden. Es würde mich ja mein Leben lang begleiten. Der Tisch würde damit festlich gedeckt werden. Denn für den täglichen Gebrauch war es nicht bestimmt. Nach einigem Hin und Her entschied ich mich für das Besteck mit dem Namen Jasmin (Foto). Es war einigermaßen schlicht und auch schlank. Es gefiel mir gut. Wer jetzt etwas für mich zur Konfirmation kaufen wollte, der brauchte dort nur nach meinem Muster zu fragen. Sehr praktisch. Eigentlich war es mir ziemlich egal, ob es so viel davon geben würde, denn ich hoffte auf genug Geldgeschenke, weil ich mir unbedingt ein Kofferradio kaufen wollte. Das war mir sehr wichtig, denn dann musste ich nicht mehr darum kämpfen, Radio Luxemburg hören zu dürfen. Es gab nur das eine Radio im Wohnzimmer.
Die Konfirmation kam näher. Ein Kleid musste gekauft werden. Und auch noch eines für die Prüfung, die am Sonntag vorher stattfinden sollte. Bei Plath und Thiemann in Kappeln wurden nun Kleider angepasst. Es wurde eins in Grün für den Prüfungssonntag und natürlich ein schwarzes für den Festtag. Beide sehr schlicht, denn für Schleifen und Rüschen war ich nicht zu haben. Trotzdem habe ich beide Kleider nach der Konfirmation nie wieder getragen. Ich vermute, dass meine Mutter sie an meine Kusinen weitergegeben hat. Ich habe sie auch nie vermisst.
Es ging ans Lernen. Lieder aus dem Gesangbuch, der kleine und der große Katechismus, die Taufe, so viel galt es auswendig zu können. Das fiel mir nicht so schwer, obwohl ich vieles davon gar nicht richtig verstanden hatte. Es war ein mechanisches auswendiges Herunterrattern. Aber ich hatte Angst zu versagen, es bei der Befragung nicht zu wissen. Unser lieber Pastor Müller war nicht streng. Blamieren wollt ich mich auf keinen Fall. Dann war es aber gar nicht so schlimm. Ich kam nur ein einziges Mal dran und nur ganz kurz – alles war gut.
Die Konfirmation selbst erinnere ich als einen besonderen Tag in meinem Leben. Es war der 15. März 1964. Es war ein kühler Tag. Ich hatte meine langen Haare gut zurechtgemacht, mit Lockenwicklern eingedreht, aber weil unser Konfirmandentrupp vom Pastorat aus wie üblich zu Fuß den Pastoratsstieg zur Kirche laufen musste und es sehr windig war, hatte ich Angst um meine Frisur. Ich hatte auf dem kleinen schwarzen Gesangbuch ein Taschentuch mit umhäkelter Spitze so gefaltet, dass ein kleiner Freesienstrauß hineingesteckt werden konnte. So trug ich nun mit beiden Händen das Gesangbuch vor mir her wie die anderen Konfirmandinnen auch. Ganz feierlich war mir zumute, wie wir dann mit unserem Pastor voran und den Orgelklängen in die Rabenkirchener Kirche schritten. Die Menschen standen auf und wir gingen nach vorn auf unsere Plätze. Ich genoss die Feier sehr, fühlte den mir zugedachten Segen sehr stark. Ich fühlte mich behütet für das weitere Leben und war richtig glücklich. Mir wurde gratuliert von allen Seiten – etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Es war ein besonderer Tag, ein besonderes Erlebnis.
Mein Konfirmationsspruch war für mich genau der richtige. Psalm 27, Vers 1. Ich muss aber zugeben, dass ich ihn dann für lange Zeit vergaß und für diesen Bericht nachlesen musste, wo in der Bibel er zu finden ist.
Zu Hause angekommen erwartete uns eine Nachbarin, die dort das Essen vorbereitet hatte. Viele Glückwunschkarten und Geschenke lagen schon für mich bereit, sogar Blumen hatte ich bekommen. Meine Großeltern waren da, Onkel und Tanten, Vettern und Cousinen. Die Stube war voll. Es wurde gegessen und getrunken. Ich weiß nicht mehr, was es zu essen gab, vermute aber, dass wie immer zu Festlichkeiten ein Braten aufgetischt wurde. Kaffee und Kuchen gab es anschließend auch noch reichlich. Meine Mutter hatte meinetwegen so viel Arbeit gehabt! Später ging es ans Auspacken und viel wichtiger noch für mich, ans Geld zählen. Ich habe mich sehr gewundert, wie viel doch für mich zusammengekommen war. Meist waren es 5-Mark-Scheine und Zehner, die ich aus den Umschlägen zog. Ich schrieb auf Geheiß meiner Mutter sofort auf, wie viel und von wem es mir zugedacht war. Das war wichtig wegen der Nachfeiern, die es ja geben würde. Die nächsten Nachbarn wurden dann mit Partnern zu einem Essen eingeladen, von den entfernteren nur die Frauen zum Kaffee. So war es üblich, als Dankeschön für die Geschenke. Und es fand sehr zeitnah statt.
Von dem Silberbesteck war eine Menge zusammengekommen. Ich habe mich doch gefreut. Ich benutze es heute noch zu festlichen Angelegenheiten, die nun im Alter allerdings immer weniger werden. Ab und zu muss Silber geputzt werden. Aber es ist und bleibt etwas Besonderes und Schönes, so ein silberner Tischschmuck.
Mein heiß ersehntes Kofferradio durfte ich mir kaufen. Ich habe es mir bei Radio Mehne in Kappeln ausgesucht, es war knallrot und kostete 190 Mark, Es hat mich einige Jahre lang überallhin begleitet.
Inzwischen habe ich schon vor ein paar Jahren meine Goldene Konfirmation erlebt. Heutzutage lässt sich nicht mehr jedes Kind konfirmieren. Das Feiern hat sich auch verändert und findet oft nicht mehr zu Hause statt. Es sind andere Zeiten. Alles verändert sich. Gerade deshalb habe ich gedacht, es wäre gut, es aufzuschreiben, damit Erinnerungen nicht verloren gehen.
Herta Andresen
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