Dachbodenfund: Das Ende der Nazizeit

In einem Stapel von gesammelten alten Zeitungen und Zeitungsausschnitten, die mir von Gerda und Jürgen Zielke für unser Gemeindearchiv übergeben wurden, fand ich ein Blatt aus den Schleswiger Nachrichten mit einem Gedicht, das mich sofort packte. In Reimform rechnet Heinrich Albertsen aus Boxlund im Jahre 1949, also vier Jahre nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes, mit den Nationalsozialisten ab. Möglicherweise stammt das Gedicht gar nicht aus seiner Feder, sondern er hat es aus der Erinnerung aufgeschrieben. Es könnte auch von einem Pastor aus Husum, dessen Namen wir heute nicht mehr zuordnen können, verfasst worden sein. Das lässt sich heute wohl nicht mehr abschließend klären. Der Autor hat aber seine bitteren Erfahrungen mit der damaligen Zeit schonungslos in Worte gefasst, was sich damals durchaus noch nicht jeder traute. Verstört hat mich der Schluss des Gedichts: Der Autor schrieb damals, wir seien zum Glück „von der braunen Bande für alle Zukunft befreit“. Heute, 75 Jahre später und ebenso viele Jahre seit Bestehen des Grundgesetzes, dessen Jubiläum jetzt vor einigen Tagen gefeiert wurde, bin ich mir da leider nicht mehr so sicher. Und deswegen finde ich dieses alte Gedicht heute so aktuell, dass ich es an dieser Stelle gerne noch einmal zum Lesen anbieten möchte. Einiges, besonders Namen aus damaliger Zeit, können wir heute nur noch schwer zuordnen, aber die zentrale Botschaft, so finde ich, hat an Kraft und Klarheit über die Jahre und Jahrzehnte nichts eingebüßt.
Ulrich Barkholz

Aus ist das große Theater,
der Nazirausch ist vorbei.
Es folgte ein Riesenkater
ja grad im wonnigen Mai.
Sie haben den Himmel versprochen
und haben die Hölle gebracht.
Wir sind nur noch Haut und Knochen
und sitzen in stockfinsterer Nacht.
Es tönte die Nazifanfare
vor dem gläubigen, kritiklosen Heer.
„Gebt mir nur einige Jahre,
und ihr erkennt Deutschland nicht mehr!“
Weiß Gott, er hat Wort gehalten,
zwölf Jahre haben genügt,
dass das große herrliche Deutschland
zertrümmert am Boden liegt.
Die Städte sind öde Ruinen,
die Menschen von Hunger bedroht.
Zerstörte Fabriken, Maschinen,
die jungen Männer tot.
Das ist das große Ergebnis
unter Wut und Verzweiflungsschrei.
Das ist das Endergebnis
der nazistischen Tyrannei.
Sie haben uns gequält und geschunden,
geknechtet in einem fort.
Sie haben das KZ erfunden
mit Knute, Folterung und Mord.
Das war Nazireklame,
bekannt in der ganzen Welt.
Durch sie ward der deutsche Name
grässlich befleckt und entstellt.
Brutalität und Schande,
das war Nazikultur.
Doch das ganze Bonzengesindel
hinterlässt nur flüchtige Spur.
Man mochte so gerne sie leiden
die braune, stattliche Schar.
Die waren ja duldsam bescheiden,
so uneigennützig, nicht wahr!
Langstiefelig, mit vollem Pansen,
kamen sie dröhnend daher,
vor allem der Herr Hansen
und des Volkes Liebling, der Kehr.
Einst verkrachte Existenzen,
dann Fürsten vom braunen Tross,
der Gläser, der Diercks und der Jensen,
und nicht zu vergessen, der Groß.
Sie schworen, für Hitler zu sterben,
doch leider, sie taten es nicht.
Nun stehen sie vor den Scherben,
doch auch vor dem Strafgericht.
Ein Trost blüht uns in der Schande,
in Not und in Herzeleid:
Wir sind von der braunen Bande
für alle Zukunft befreit.

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