Chronikbericht (Teil 3): Die Volksschule Thumby zwischen 1875 und 1918

Im Januar 1867 ergriff der preußische König Wilhelm I. offiziell die Macht über Schleswig und Holstein. Schleswig-Holstein wurde preußische Provinz.
Hierzu schreibt der Reporter Frank Jung anlässlich des 150. Jahrestages der Schlacht bei den Düppeler Schanzen im Schleswig-Holstein-Journal des sh:z vom 4. Juni 2016: „Nach mehr als 400 Jahren Zugehörigkeit zur dänischen Monarchie bedeutet die Preußifizierung Schleswig-Holsteins einen tiefen Einschnitt. Die Ausrichtung der Herzogtümer wird umgepolt von Nord auf Süd. Traditionell waren sie in vielem sich selbst überlassen, fortan werden sie Teil einer straff durchorganisierten Staats-Maschinerie. Dies bringt einen umfassenden Modernisierungsschub, hat aber auch unbequeme Seiten.“ (Jung, Frank: Als Schleswig-Holstein preußisch wurde. Wie die Pickelhaube den Herzog der Herzen verdrängte. 2016, www.shz.de/13888026)
Fünf Jahre später, im Jahre 1871, wurde der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser gekrönt. Der bisherige preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck wurde deutscher Reichskanzler. Damit wurde Preußen Teil des neu gegründeten Deutschen Reiches und Schleswig-Holstein als preußische Provinz somit auch.
Unser Chronist der ersten Stunde, der Lehrer und Küster L. Jochimsen, hat all diese turbulenten politischen Umbrüche seit 1855, als das Herzogtum Schleswig noch dänisch war, bis hin zur Gründung des Deutschen Reiches offenbar schadlos überstanden. So können wir schließlich lesen: „Am 11. Januar 1885 trat der bisherige 1. Lehrer Jochimsen, mit einer Pension von 900 M., wozu aus der Regierungskasse 200 M. beigesteuert wurde, in den Ruhestand“.
Doch bevor wir zeitlich weiter schreiten, noch ein Blick zurück in die Aufzeichnungen Jochimsens. Einen Mangel an qualifizierten Lehrkräften gab es wohl auch schon zu seiner Zeit. So berichtet Jochimsen davon, dass ein „Präparand“, also eine Person mit Volks- oder Mittelschulabschluss, welche im Vorbereitungsdienst die untere Stufe der Volksschullehrerausbildung durchlief, nur Klassen bis maximal 50 Kindern unterrichten durfte. Die Elementarklasse in Thumby bestand aber aus über 80 Kindern. Deshalb „entschloß die Commüne sich, da die Elementarklasse über 80 Schüler zählte, eine 3te Klasse als Mittelklasse zu bauen. Dieser Entschluß gelang im Jahre 1870 zur Ausführung“. So bekommt Jochimsen 1870 Verstärkung durch den „Gehülfenlehrer“ F. Maack vom Seminar Eckernförde, der in Thumby zum „Mittellehrer“ ernannt und entsprechend bezahlt wird: „Das Gehalt für den Mittellehrer besteht in 280 r, freier Wohnung und Feuerung“. Fünf Jahre später wird Maack an eine Schule in Eckernförde versetzt, und an seine Stelle tritt der „Autodidact“ Petersen, also offenbar eine Person mit vermutlich eher geringerer Qualifikation.
Die unterrichteten Fächer im Elementarunterricht waren Religion, Schreiben, Lesen und Rechnen. Die Schulaufsicht lag zum damaligen Zeitpunkt weitgehend in den Händen der Kirche. So berichtet Jochimsen: „1881, d. 26. November zog d. Tondern‘sche Seminarist Jensen, 2ter Lehrer in Quern, in Thumby ein, nachdem derselbe für die 2te Lehrerstelle hier ernannt war. Am 28. November nachmittags 2 Uhr wurde Jensen von dem Schulinspector, Herrn Pastor Decker, in sein neues Amt eingeführt.“ Von 1788 bis 1925 wurden die Volksschullehrer der hiesigen Region in dreijährigen Seminaren in Tondern ausgebildet (vgl. Christiansen, Hans Werner: Südtondern historisch. Gehorsam als wichtiges Lernziel. 2015, www.shz.de/8867046).
Auch auf die bauliche Beschaffenheit der Schulgebäude wirft die preußische Regierung einen Blick. So schreibt Lehrer Jochimsen im Jahre 1883: „Im September 1883 wurde über der Schulthür der hiesigen Schule ein Frontispiz, [also ein Giebeldreieck über einem vorstehenden Gebäudeteil, in diesem Falle über der Ein- und Ausgangstür der Schule] erbaut auf Anordnung der Königlichen Regierung zu Schleswig, behufs besseren Ausgangs für die Kinder im Fall das Gebäude vom Blitzschlag getroffen werden sollte. Gott befohlen!“ Das war eine wichtige Feuerschutzmaßnahme für die Sicherheit der Menschen im Schulgebäude.
Unmittelbar nachdem der Lehrer Jochimsen in den Ruhestand gegangen war, wurde die 1. Lehrerstelle in Thumby neu besetzt. Zu lesen ist: „[A]m selben Tage trat d. neuernannte 1. Lehrer H.N. Nommensen, früher in Grödersby, sein Amt an. Am 4. Januar [1885] wurde derselbe in sein Küster- und Organisten-Amt und am 6. Januar in sein Lehramt eingeführt.“ Für das Jahr 1885 findet sich in der Chronik folgende Angabe: „Die Schülerzahl, in beiden Classen zusammen, betrug Ostern 1885 105“.
Die Eintragungen in die Schulchronik in den folgenden Jahren fallen relativ knapp aus. So gibt es Hinweise darauf, dass jeweils am 22. März des Kaisers Geburtstag gefeiert wurde. Wie das vonstattenging, ist zunächst noch nicht dokumentiert. Es war aber offenbar eine Feier in der Schule. Erstmalig erwähnt 1886. Weitere Hinweise gibt es auf Inspektionen durch Pastoren und Pröpste. Außerdem wurden die Konfirmanden erwähnt, die „Schulprüfungen“ zu absolvieren hatten. Im Jahre 1886 fand offenbar keine Kindergilde statt, die sonst üblich war, sondern stattdessen ein Ausflug nach Süderholz. Erwähnt wurde 1886 auch, dass der Sedantag nicht besonders gefeiert würde, weil er wie in jedem Jahr genau in die Erntezeit fiel. Zur Erinnerung: Der Sedantag war ein Gedenktag, der im Deutschen Kaiserreich jährlich um den 2. September gefeiert wurde. Er erinnerte an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht bei Sedan, in der preußische, bayerische, württembergische und sächsische Truppen nahe der französischen Stadt Sedan den entscheidenden Sieg im Deutsch-Französischen Krieg errungen hatten.
Im Jahre 1888 kam es dann zum sogenannten Drei-Kaiser-Jahr. Auf Wilhelm I., der am 9. März in Berlin starb, folgte sein an Kehlkopfkrebs erkrankter Sohn Friedrich Wilhelm als Friedrich III., der nach 99 Tagen Regentschaft am 15. Juni in Potsdam ebenfalls starb. Ihm folgte am selben Tag sein ältester Sohn Friedrich Wilhelm, der als Wilhelm II. den Thron als Deutscher Kaiser und König von Preußen bestieg. In der Thumbyer Schulchronik liest sich das relativ knapp: „1888: Der Geburtstag unseres Kaisers gestaltete sich zu einer Trauerfeier, die am 22. März, nachmittags 1 Uhr in der Schule und 2 Uhr in der Kirche abgehalten wurde.“
Ulrich Barkholz

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