Chronikbericht (Teil 4): Die Volksschule Thumby zwischen 1875 und 1918

Inzwischen ist der preußische Staat offenbar zunehmend bemüht, die Schulaufsicht fortan nicht mehr allein der Kirche zu überlassen. Neben Personen mit geistlichen Ämtern wie Pröpsten und Pastoren wie bisher werden ein Inspektor, ein Superintendent und ein Schulrat erwähnt, also vermutlich Beamte des preußischen Staates. So heißt es in der Chronik: „Im Laufe dieses Sommers fanden verschiedene Revisionen statt, im Juni durch den Herrn Kreisschulinspector, im September durch den Herrn Generalsuperintendenten und im November durch den Herrn Schulrat.“ Allerdings bleibt die Kirche in Sachen Schulaufsicht auch weiterhin eine feste Größe. So wird in der Thumbyer Schulchronik Pastor Nissen erwähnt, der im Jahre 1885 zum Ortsschulinspektor berufen wurde und dieses Amt bis 1921, also 36 Jahre lang, bekleiden sollte.
Auch die Ausstattung der Schulen überlässt die preußische Regierung nicht mehr dem Zufall, sondern sie schafft Normen. Für Thumby bedeutet dies nach den Aufzeichnungen in der Chronik: „In den Sommerferien 1887 wurden die Schultische, den betreffenden Normalbestimmungen gemäß, umgeändert. Im Herbst 1888 wurde der neue Schulschrank für die Oberklasse hergestellt.“
Im Jahre 1889, als zum ersten Mal der Geburtstag Kaisers Wilhelm II. gefeiert wurde, erfahren wir auch ein wenig darüber, wie es damals in der Schule in Thumby zuging: „Am 27. Januar wurde Kaisers Geburtstag gefeiert. Um 9 Uhr vormittags versammelten sich die Kinder in der Schule. Nachdem der Lehrer ihnen einiges aus dem Leben des Kaisers erzählt und auf die Bedeutung dieses Tages für das ganze Deutsche Reich aufmerksam gemacht, wurden einige vaterländische Lieder gesungen.“ Auch der verstorbene Kaiser wurde nicht vergessen: „Am 9. u. am 22. März fand eine Gedächtnisfeier für Kaiser Wilhelm I. statt.“ Der dritte Kaiser, dessen Regentschaft im Jahre 1888 nur 99 Tage lang dauerte, wurde ebenso geehrt: „Am 15. Juni fand eine Gedächtnisfeier für Kaiser Friedrich III. statt.“
Im Jahre 1890 wurde wiederum der Geburtstag des Kaisers gefeiert, und die Schülerinnen und Schüler dürfte es gefreut haben, denn: „Um 9 Uhr versammelten sich die Kinder in der Schule. Nach einer Ansprache des Lehrers über die Bedeutung dieses Tages für das ganze Deutsche Reich, wurden einige Lieder gesungen und für den übrigen Teil d. Tages d. Unterricht ausgesetzt.“
In den Folgejahren werden in der Chronik nur die jährlich wiederkehrenden Ereignisse erwähnt, darunter die Feierlichkeiten zum Geburtstag oder zum Gedächtnis des lebenden oder der verstorbenen Kaiser, außerdem die Schulprüfungen, Konfirmationen und Kindergilden. Diese Eintragungen dienten offenbar auch dem Nachweis der Umsetzung der Regierungserlasse. So war bestimmt worden:
„Berlin den 23. Juli 1888 – Seine Majestät der Kaiser und König haben durch Allerhöchsten Erlass vom 6. Juli d. J. zu bestimmen geruht, daß in sämtlichen Schulen der Monarchie die Geburts- und Todestage der in Gott ruhenden Kaiser WILHELM I und FRIEDRICH fortan als vaterländische Gedenk- und Erinnerungstage begangen werden.“
Erst im bis Winter 1892/93 wird die Normalität des Schulalltages durch besondere Ereignisse unterbrochen. So können wir lesen:
„Das Winterhalbjahr 92/93 brachte recht viele Störungen für die Schule. Zuerst hielt eine Krankheit (Diphteritis [= Diphterie]) im Hause des Lehrers Nommensen, denselben längere Zeit (3 Monate) der Schule fern, in welcher Zeit der 2te Lehrer Petersen vormittags die untere und nachmittags die Oberklasse unterrichtete. Später, im Februar und März, verursachten Schneewehen und schlechte Wegeverhältnisse häufige Versäumnisse. Im Laufe des Winters wurde auch der Anfang gemacht mit einer Schülerbibliothek, es wurden von der Sparkasse 30 M dazu hergegeben und von den Gemeinden 31 M für diesen Zweck gesammelt.“
Das Jahr 1893 brachte weitere Änderungen und Neuerungen: „Laut Beschluß d. Schulinteressenten-Versammlung im Mai soll eine ‚Dritte Klasse‘ mit einer Lehrerin eingerichtet werden. Nachdem der erforderliche Neu- oder Anbau seitens d. Königlichen Regierung genehmigt wurde, sind die baulichen Arbeiten dem Baumeister Mecklenburg übertragen und von diesem in den Monaten September bis November ausgeführt worden. Am 1ten Dezember trat dann die Augustenburger Seminaristin, Fräulein Stapelfeld als Lehrerin der 3ten Klasse hier an.“ Offenbar bestand zum damaligen Zeitpunkt auch eine Ausbildungsstätte für Lehrkräfte in Augustenburg auf Alsen
Im Winterhalbjahr 1896 gab es eine Diphterie-Epidemie, die nach Aussagen des Chronisten den Schulbetrieb stark beeinträchtigte und in der Gemeinde zu drei Todesfällen geführt hat. Unter den Toten war auch ein Schulkind.
Ulrich Barkholz