Chronikbericht (Teil 5): Die Volksschule Thumby zwischen 1875 und 1918

Ansonsten verlaufen die Jahre offenbar ruhig und entsprechend den damaligen Vorgaben geordnet. Der Chronist wird etwas mitteilsamer, sodass wir im Jahre 1897, als Wilhelm I. 100 Jahre alt geworden wäre, auch einmal etwas über den Ablauf einer der regelmäßig stattfindenden nationalen Feierlichkeiten erfahren:
„Am 22. März wird auch hier d. hundertjährige Geburtstag d. seligen Kaiser‘s Wilhelm I. gefeiert. Die Feier fand draußen auf dem Turn- u. Spielplatz statt. Hier waren sämtliche Schüler und viele Schulinteressenten versammelt [Anm.: Die Schulinteressenten spielten seinerzeit in etwa die Rolle eines heutigen Schulträgers. Sie waren nach dem preußischen Schulrecht diejenigen, die zum Unterhalt der Schule verpflichtet waren. Sie bildeten ein Gremium, das über die Verteilung der durch die Regierung zugewiesenen Mittel entschied, sowohl die sächliche Ausstattung der Schule betreffend wie auch die Bezahlung des Schulpersonals.] Es war für diese Feier, und dann auch für spätere Benutzung bei nationalen Feiern, eine schöne Flagge angeschafft worden. Die hiesige Sparkasse hatte 20 M dazu hergegeben und die übrigen Kosten wurden durch freiwillige Beiträge gedeckt. Der erste Lehrer hielt eine d. Bedeutung des Tages würdigenden, namentlich die Verdienste Kaiser Wilhelm I. hervorhebende Ansprache, während der 2te Lehrer die Verdienste jener großen Männer, die Kaiser Wilhelm I. treu zur Seite standen – Bismarck, Moltke, Roon – in seiner Rede würdigte [Anm.: Bismarck wurde von Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten berufen; Moltke war Chef des Generalstabs der Armee und Roon war Generalfeldmarschall und zugleich ein wichtiger politischer Mitarbeiter Bismarcks zur Zeit der Reichsgründung.] Inzwischen wurden von den versammelten Schülern einige patriotische Lieder gesungen. Der übrige Teil des Tages, wie auch der folgende Tag, war schulfrei.“
Leider erfahren wir Nachfahren aus der Chronik nicht, welche patriotischen Lieder gesungen worden sind. So bleibt nur ein Blick in die heute zugänglichen Quellen. Wir erfahren von der Bundeszentrale für politische Bildung (vgl. Heil dir im Siegerkranz. Patriotisches Liedgut im Deutschen Kaiserreich.www.bpb.de/gesellschaft/kultur/sound-des-jahrhunderts/209559/heil-dir-im-siegerkranz), dass Kaiser Wilhelm II. „dem Schulgesang eine hohe Bedeutung für die Weckung vaterländischer Gesinnung und die emotionale Verankerung seiner Herrschaft zumaß.“ Daher könnten zu den damalig bevorzugten Gesängen gehört haben: „Heil dir im Siegerkranz“ (deutscher Text von Heinrich Harries auf die Melodie der englischen Hymne), „Der gute Kamerad“ (Text: Ludwig Uhland – wird heute noch in der Bundeswehr gesungen) oder ein Text gesungen auf die Melodie „Alles neu macht der Mai“: „Kühn voran zieht die Fahn! Folget alle Mann für Mann! Tapfer mit! Tritt für Tritt! Haltet strammen Schritt!“ Viele weitere einschlägige Schullieder gab es, die den Krieg als kindliches Abenteuerspiel darstellten oder den Siegeszügen preußischer Feldherren huldigten.
Dem Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert wird große Bedeutung beigemessen. So ist in der Chronik im Jahr 1899 zu lesen: „Anhand geschichtlicher Thatsachen, soweit sie den Kindern bekannt sind, wurde hingewiesen auf die großen Ereignisse des zu Ende gehenden Jahrhunderts, welche unter Gottes Beistand zur Wiederentstehung u. d. jetzigen Größe und Machtstellung unseres Vaterlandes geführt haben.“

Ulrich Barkholz

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