Wer kennt ihn noch? Der Große Hans

Wer kennt den noch? Sicher nicht mehr so viele Menschen. Einige ältere Hausfrauen bzw. Hausmänner werden ihn kennen und auch noch zubereitet haben. Sich an den spannenden Moment erinnern, wenn die Puddingform nach gut eineinhalb Stunden aus dem Wasserbad herausgehoben wird, der Deckel geöffnet und das Prachtstück auf einen Teller gestürzt wird.
Meine Erinnerungen gehen diesbezüglich weit zurück in die Kinderzeit. Es wurde während der Kalbungszeit im Winter von der Biestmilch der „Beeschmelkbudding“ (Biestmilchpudding) gegessen. Die nahrhafte gelbe Biestmilch ist eigentlich nur für das neu geborene Kalb bestimmt. Es ist die erste sehr inhaltsreiche Kuhmilch, die nach der Geburt abgemolken wird. Aber das Kalb ließ man gar nicht erst bei der Kuh säugen. Leider wurde es von der Mutterkuh sofort getrennt; sie durfte es nach der Geburt nur noch abschlecken.
Das fand ich immer sehr schlimm. Der Mensch hat die Kuh abgemolken und dem Kalb von der Milch zu trinken gegeben. Meine Mutter hat manchmal Butter daraus gemacht, die eine schöne gelbe Farbe hatte. Der Biestmilchpudding war lecker. Mir schmeckten die am nächsten Tag aufgebratenen Scheiben vom Rest beinahe noch besser. Wenn keine Biestmilch vorhanden war, dann gab es den Großen Hans, der mit normaler Milch, Eiern und Mehl zubereitet wurde. Einige kennen den auch mit Rosinen darin. Bei uns war das nicht üblich. Vielleicht ist es ja ein Original-Angeliter-Rezept, das einfach variabel ist, von Dorf zu Dorf.
Anfangs habe ich hier in Schnarup noch Biestmilchpudding gekocht. Das ist fast 40 Jahre her. Nach dem Aufgeben unserer Landwirtschaft geriet auch der Große Hans bei uns irgendwie in Vergessenheit. Manchmal wurde in der Puddingform noch Kohlpudding zubereitet. Aber als wir Vegetarier geworden waren, rostete die Form vor sich hin und wurde entsorgt.
Nach vielen Jahren kauften wir eine neue Hans-Form, die war teuer! 39,95 Euro, Wahnsinn! Aber gebraucht wurde sie doch nicht; sie stand lange irgendwo „vergraben“ im Keller. Bis vor einiger Zeit ein Freund von uns fragte, ob wir „so eine“ Puddingform hätten, er wolle Kohlpudding kochen. So wanderte sie nach einer längeren Sucherei außer Haus. Ich dachte aber immer öfter an den Großen Hans. „Könnten wir doch eigentlich mal wieder essen.“
Weil der Appetit auf dies Traditionsgericht immer größer wurde, orderten wir die Puddingform zurück zu uns, und ich plante dann, eine Geschichte darüber zu schreiben. Ich setzte mich sozusagen „unter Druck“. Ein Rezept hatte ich nicht und wusste auch nicht ganz genau die Menge der Zutaten. Ich erinnerte mich nur, dass meine Mutter mal gesagt hatte, es müsse ein etwas dickerer Pfannkuchenteig sein. Das war mir zu unsicher, „schlumpen“ wollte ich nicht. Wozu gibt es Google? Mit meinem Smartphone wurde ich da bald fündig. Ich entdeckte sooo viele Rezepte, die den Namen Großer Hans trugen! Mit Speck, mit Rosinen, mit Mandeln sogar, mit eingeweichtem Weißbrot, mit Grieß. Oh, da, mit Butter, Eiern und Milch! Und mit Backpulver. Das war es doch. Schnell ausdrucken! So, nun aber mal ran!
Und dann der spannende Moment! Ich hatte die Form sehr sorgfältig eingefettet und noch mit Paniermehl ausgestreut. Da konnte hoffentlich nichts schiefgegangen sein. Der Deckel wurde geöffnet. Das sah doch schon mal sehr gut aus! Ein bisschen hin- und hergeschüttelt, ja, er war locker. Ein Teller darüber gestülpt, umgedreht, jaaa! Genauso muss er sein. Nun musste natürlich vor dem Essen dieses Ereignis mit einem Foto (S. 12) des Prachtstücks dokumentiert werden. Für diese Geschichte!
Das war ein leckeres, ganz besonderes Mittagessen. Es gab eine Soße aus Himbeer- und Johannisbeersaft dazu. Am nächsten Tag waren die aufgebratenen Scheiben davon auch sehr schmackhaft. Es wird wohl nicht der letzte Große Hans für uns gewesen sein. Einen Biestmilchpudding würde ich heute nicht mehr essen wollen. Wenn’s früher auch gut geschmeckt hat. Die Zeiten sind vorbei. Aber es müsste doch möglich sein, mal einen vegetarischen Kohlpudding zu versuchen. Schon damit die teure Puddingform gebraucht wird. Ich werde bei Google nachsehen. Irgendwo werde ich fündig werden. – Tatsächlich!
Herta Andresen

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