Bei der Bearbeitung von Herta Andresens Bericht über ihre Konfirmation 1964 für diese Ausgabe kamen die Erinnerungen an meine eigene Konfirmation zurück. Ich bin ja nun auch schon goldener Konfirmand, war aber ein paar Jahre später dran als Herta. Außerdem lief es bei mir irgendwie ziemlich anders ab, warum auch immer. Deshalb möchte ich an dieser Stelle von dem berichten, was mir in Erinnerung geblieben ist.
Meine Konfirmation fand am 4. Mai 1969 in der Paul-Gerhardt-Kirche in Kiel-Dietrichsdorf statt. Diese Kirche war seinerzeit ein Neubau, der erst 1959 im Zuge des Wiederaufbaus des vom Krieg völlig zerstörten Stadtteils errichtet worden war. Die Lebensader des Stadtteils war die Werft, die es heute an diesem Standort schon lange nicht mehr gibt. Der Stadtteil und damit auch unsere Konfirmandengruppe waren nicht frei von Konflikten; heute würde man wohl von einem sozialen Brennpunkt sprechen. Und wir waren ziemlich viele damals; zwei Gruppen mit je um die 40 Konfirmand(inn)en, eben geburtenstark und für die Erwachsenen auch nicht immer leicht zu lenken. Mein Pastor hieß tatsächlich mit Nachnamen Gottfroh, und sein bester Freund und Wandergefährte hieß Teufel. Kein Witz! Hans Heinrich Gottfroh war im Krieg U-Boot-Fahrer gewesen und kam sehr resolut daher, aber auch sehr unkonventionell und modern. So habe ich mir nie einen Gottesdienstbesuch auf irgendeiner Karte quittieren lassen müssen. Gottfroh sagte einfach: Wen er nicht oft genug in der Kirche gesehen hat, den konfirmiert er nicht. Ob das nun Bluff war oder nicht, es hat auf jeden Fall funktioniert. Es gab auch keine Konfirmandenprüfung, sondern einen Vorstellungsgottesdienst, den wir Konfirmand(inn)en selber gestalteten, natürlich mit Gottes und des Pastors Hilfe. Aber wir gaben uns Mühe und haben für den ganzen Gottesdienst eine Art Drehbuch geschrieben inklusive Lieder, Lesungen, Gebet und Spielszene. Thema: Der verlorene Sohn. Also, damals, im Jahre 1969, fand ich das schon ziemlich cool. Und für diejenigen unter uns, die es mit dem Auswendiglernen nicht immer so leicht hatten, wurde so eine Brücke gebaut.
Nur einmal habe ich meinen damaligen Pastor sprachlos erlebt. Er wollte uns offenbar klarmachen, dass die Bibel Gottes Wort sei und nicht das des Menschen. Er fragte uns deshalb: „Die Bibel wurde nicht von Menschen geschrieben, sondern …?“ Vielleicht war das auch etwas ungeschickt gefragt; jedenfalls herrschte allgemeines Rätselraten in unserer Runde. Wenn nicht von Menschen, von wem dann? Schließlich gab einer von uns die Antwort als zaghafte Gegenfrage, aber durchaus ernst gemeint: „Von Tieren?“ Großes Gelächter. Unserem Pastor klappte der Kinnladen runter und außer Kopfschütteln fiel ihm dazu nichts weiter ein.
Aber wir mussten auch spuren. Einmal im Gottesdienst unterbrach Pastor Gottfroh seine Predigt, verließ die Kanzel, griff sich einen von uns Konfirmanden, von dem er sich gestört fühlte und warf ihn kurzerhand aus der Kirche. Anschließend setzte er seine Predigt kommentarlos fort. Aber wir waren ja mitunter auch ganz schöne Lümmel und dann noch so viele, da musste er dann und wann ja auch mal klarmachen, wer hier die Lufthoheit hatte. Seiner Beliebtheit bei uns hat es nicht geschadet. Wir haben ihn und seine Art gemocht. Und am Schluss wurden auch alle konfirmiert. Seine Predigt zu unserer Konfirmation habe ich nicht vergessen. Er verglich unseren beginnenden Aufbruch in das Erwachsenenleben mit einem sportlichen Wettkampf, bei dem man mal einen Wettbewerb gewann und dann auch mal wieder verlor. Und er schloss seine Predigt mit den Worten: „Achtung! Fertig! Los! Amen!“
Ulrich Barkholz
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