Das in der letzten Ausgabe gezeichnete Bild vom Arbeitsalltag wäre unvollständig ohne einige Sätze über die Anfuhr. Ich habe zwei Formen der Anfuhr miterlebt, die Zeit der Pferdeanspannung und die der Treckeranfuhr. In der Pferdezeit hatten wir den Milchwagen, den einspännigen Seeländer, der auf der Stelle umdrehen konnte, eisenbereift. Man saß gleich hinter dem Pferd auf einer Bank, dahinter war ein flacher Kasten für 9 Kannen. Es gab viele ähnliche Wagen, auch größere und gummibereifte. Und dann waren da die Sammelwagen, die mehrere Nummern mit hatten, zum Beispiel von Treholz her mit der ganzen Feldstraße, oder der Wagen von Schnaruphörn. Das waren dann die großen Wagen mit einer Plattform, meist mit einer herausnehmbaren Latte an der Seite, um besser laden zu können. Es kamen Lieferanten, die im Ortskern Thumby wohnten, mit dem Handwagen, wie Heinrich Schmidt oder Otto Vollertsen. Einer kam mit dem Fahrrad, das war Albert Schuldt, rechts und links je eine Kanne. Allein fuhr auch Johannes Mügge aus Rabenholzlück seine Milch, mit einem kleinen niedrigen Gummiwagen und einem flotten Pferd davor. Dagegen fuhren Müller, Eslingholz; Thomsen, Schnarupholz und Diedrichsen, Köhnholz, gemeinschaftlich abwechselnd zusammen. Damals gab es viele Katenstellen bei uns, mit einer, zwei oder drei Kühen, deren Milch von anderen mitgenommen wurde. Da stand dann an der Straßenkante der Milchbock, eine kleine Plattform in Wagenhöhe, auf der die Kannen zur Abfuhr bereitstanden. Ich habe versucht zu rekonstruieren, in den fünfziger Jahren mögen es um die 20 Pferdefuhrwerke gewesen sein, die Tag für Tag den Meiereiplatz füllten. Man fuhr an die Rampe heran vor die Annahmetür, lud die Kannen ab und fuhr dann im rechten Winkel dazu zum Warten auf den Platz. Da standen sie nun nebeneinander, die kleinen und die großen Wagen, die Köpfe der Pferde nach Süden ausgerichtet. Viele Pferde brauchte man gar nicht anzubinden, sie kannten den Ablauf als altgediente Milchpferde genau und warteten an ihrem Platz. Übrigens, zum Anbinden schwieriger Pferde hatte man in die Wand der Käserei Ringe eingemauert, sie waren bis zum Abriss des Gebäudes zu sehen. Wenn der Fahrer seine Kannengruppe wieder zurechtgestellt hatte, fädelte man sich wieder an der Rampe ein und belud den Wagen. Der Meiereiplatz hatte seinen eigenen Geruch, eine Mischung aus saurer Milch, Pferdestall und schwarzer Schlacke, mit der der Platz bekiest war.
Die Milchfahrer hatten noch an die kleinen Dinge zu denken, die Butterpötte oder -körbe, die kleinen Kannen für Sahne und auch an den Käse für den heimischen Haushalt. Und noch etwas gehörte dazu, das war der Kaufmannskorb, der im Laden bei Kaufmann Christiansen gefüllt wurde oder Brot und Brötchen vom Bäcker am Meiereiplatz. Beide Geschäfte hatten ihren Standort am Meiereiplatz wohlbedacht gewählt. Es gab auch ab und zu eine Art Wettrennen der Milchwagen um den Platz an der Rampe. Sah ein von Süden kommender Milchwagenfahrer, dass von Norden her der große Sammelwagen in der Feldstraße war, mit den vielen Ablieferern, dann ließ er sein Pferd laufen, um noch eben vorher an der Rampe zu sein. Und dann gehören zu diesem Bild auch dazwischen die Fußgänger aus dem Dorfkern, die morgens ihre Milch aus dem Kleinverkaufsbehälter holten. Natürlich gab es in der Wartezeit auf der Rampe den morgendlichen Schnack, der hat sich durch alle Phasen der Meierei bis zum Schluss gehalten. Dieses Leben auf dem Meiereiplatz um 1970 hat der pensionierte Studienrat Wilhelm Hansen aus Schleswig auf einem Filmstreifen festgehalten, ein zeitgeschichtliches Dokument.
Anfang der fünfziger Jahre kamen die ersten Trecker dazu, der Allgaier von Alfred Martensen und der Bulldog von Otto Thomsen, beide aus Thumby-West. Und es entwickelten sich nach und nach größere Sammeltouren, die erste derartige Tour war wohl die von Helmut Hansen aus Dingwatt. Mit seinem Ferguson und seinem Gummiwagen brachte er die gesamte Milch aus Schnarup heran. Viel später entstanden noch Sammeltouren von Eslingholz her oder auch von Thumby-West. Mitte der sechziger Jahre wurde die Milchkanne ersetzt durch die Hofbehälter mit 100 bis 200 Liter Inhalt, diese wurden mit Handwinden auf die Milchwagen gekrant und in der Meierei abgesaugt. Das war so das letzte Stadium in Thumby, es folgte dann der Tankwagen des Butterwerks.
Haben wir uns eben mit der Frage der Anfuhr beschäftigt so geht es jetzt um den Weg der Fertigprodukte, den Absatz. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs bis ca. 1950 unterlag auch die Meierei der strengen Bewirtschaftung durch den Staat. Unsere Meierei war dem Einzugsgebiet der Nestle in Kappeln zugeordnet. Täglich ging Vollmilch oder Magermilch dorthin. Der Weg der Butter – noch alles in Fässern – ist mir nicht bekannt, aber ab 1950 ging der größte Teil an die BEZ nach Hamburg (Butter-und Eierzentrale Nordmark). In Thumby gab es lange Zeit den Fuhrunternehmer Willi Jeß. Unter seinen Fahrzeugen befand sich ein hellgelber Isolier-Lastzug mit der Aufschrift BEZ Schleswig-Holstein, der wöchentlich zweimal die Produkte der umliegenden Meiereien zusammenholte und nach Hamburg brachte. Die Butterfässer wurden mit der Zeit von der Blockbutter abgelöst in 25 kg-Paketen. Daneben gab es immer noch einzelne Händler, die von hier ihren Käse mit Lieferwagen abholten. So merkwürdig es klingen mag, einer dieser Händler kam aus Ostfriesland und verfrachtete unseren Magerkäse nach Leer. Unsere Kaufleute im Dorf gehörten ebenfalls zu den Kunden bei Butter und Käse.
Die Meierei war drei Generationen hindurch der dörfliche und wirtschaftliche Mittelpunkt der Milchviehhalter. Der Bericht schildert eine Zeit, die so nie wiederkehrt; er schildert ein damals lebendiges Dorf. Und er macht auch die Wertschöpfung des Rohstoffs Milch zum Fertigprodukt deutlich. Sie fand hier statt und bot Arbeitsplätze im Dorf. Ähnliche Abläufe wie dies Beispiel finden wir auch in den anderen Dorfmeiereien unseres Landes. Nach einer weiteren Generation wird man dies alles nicht mehr wissen, es sei denn, es stöbert jemand in alten Akten.
Hans Konrad Sacht
Der Bericht ist abgeschlossen.
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