Chronikbericht (Teil 8): Die Volksschule Thumby zwischen 1875 und 1918

Im Jahre 1908 beschließt der Thumbyer Schulvorstand den Neubau der Schule einschließlich drei Lehrerwohnungen. Dabei werden – wie in der Schulchronik vermerkt – folgende Veränderungen und Erweiterungen mit eingeplant:

  1. Da bei der Wohnung der Lehrerin eine Kammer fehlt und die Wohnungen der Lehrer auf das Mindestmaß beschränkt sind, ist für jeden der drei Lehrer eine Giebelstube einzurichten.
  2. Das Gebäude für die Lehrerwohnungen ist um etwa 1 m zu verbreitern und, um die Mehrkosten zu ermäßigen, jede Wohnung ca. 20 cm niedriger zu bauen;
  3. Der Bau ist mit derselben Himmelsrichtung im Küstergarten aufzuführen, da die Lage höher, freier und gesünder ist und der Spielplatz vor dem Hause schöner wird. Weiterer Vorteil hiervon ist, dass auf diese Weise die Lehrer in den alten Wohnungen verbleiben können und in den alten Klassen Schule gehalten werden kann, bis das neue Schulhaus fertiggestellt ist. Das Grundstück, welches von der Kirchengemeinde auf den Schulverband übertragen werden müsste, könnte mit dem Grundstück, welches hinter dem Schulhause liegt und dem Schulverband gehört, vertauscht werden.
  4. Von der Pumpe (Brunnen) auf dem Hofplatz ist das Wasser in die Lehrerwohnungen zu leiten.“
    Da das Grundstück, auf dem das neue Schulgebäude errichtet werden sollte, nämlich der Küstergarten, zum damaligen Zeitpunkt der Kirche gehörte, ging es in den Verhandlungen wohl darum, eine – wie man in heutiger Sprache sagen würde – Win-Win-Situation für beide Seiten herzustellen, also eine Möglichkeit zu schaffen, die von beiden Seiten als vorteilhaft erachtet werden konnte. So fand bereits am 6. November des gleichen Jahres 1908 die nächste Sitzung des Schulvorstandes statt. Über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Schulvorstand und Kirche ist im Protokoll folgendes zu lesen:
    „Auf die Vorlage der bezüglichen Verfügung des königlichen Konsistoriums vom 27.Oktober d. J. (J.Nro.9686) durch den Kirchenvorstand hält der Schulvorstand für das Richtigste und beschließt, für den Schulneubau anstatt einer Grundstücksvertauschung von dem Küstergarten ca. 8 ar für d. Preis von 50 M pro ar zu kaufen u. hierfür die Zustimmung d. Kirchengemeindeorgane und die Genehmigung der Kirchen- und Schulbehörde zu erbitten. Dieser Beschluss liegt im Interesse der Schulgemeinde wie der Kirchengemeinde. Die Schulgemeinde müsste beim Tausch das Grundstück zweimal bezahlen, einmal dadurch dass sie auf die Kirchengemeinde ein gleichgroßes und gleichwertiges Stück Schulland übertragen ließe und sodann jedoch, zahlt sie dem Inhaber der Küsterstelle eine jährliche Entschädigung für das ihm entzogene Stück Gartenland zahlen müßte, während beim Kauf die Zinsen der Kaufsumme ihm als Entschädigung zufallen würde.
    Die Kirchengemeinde aber würde weit besser gestellt sein, wenn sie diese bare Kaufsumme erhielte, als wenn ihr ein Stück Schullandes zugeschrieben würde, da diese Kaufsumme den wirklichen Wert sowohl des Gartens als das zuzuweisenden Grundstücks erheblich übersteigt. Bei einer etwaigen Trennung von Kirche und Schule würden beide Grundstücke schwer zu verwerten sein, da beide auch künftig als Bauplätze nicht in Frage kommen. Der Schulvorstand nimmt daher an, daß auch die Kirchengemeindeorgane und die Kirchenbehörden einem reinen Kauf vor einem Austausch von Grundstücken den Vorzug geben werden. Die katasteramtlichen Fortschreibungsverhandlungen können erst später erfolgen.“
    Im Dezember 1910 erfolgt die Auftragsvergabe für den Schulneubau. Neun Offerten hat es gegeben. Die Offerte des Thumbyer Bauunternehmers Christophersen war zunächst nicht die – wie wir heute sagen würden – wirtschaftlichste, allerdings ist im Protokoll der Sitzung des Schulvorstands zu lesen: „Die beiden letzten Offerten (Nr. 8 u. Nr.9) stellten sich nach Beseitigung einiger Rechenfehler auf 37.193 M(9) u. 36.241 M.(8). Mithin beträgt der Unterschied zwischen beiden 952 M.“ So wurden offenbar während der Sitzung Nachberechnungen vorgenommen mit dem Ergebnis, dass das Angebot des Thumbyer Bauunternehmers auf 36.241 Mark korrigiert wurde und somit nun doch als das günstigste bewertet wurde. Hat da der Vorstand die Angebote den eigenen Wünschen entsprechend „schöngerechnet“? Die Gründe für die Wahl eines Unternehmens, das vor Ort ansässig ist, waren jedenfalls zu damaliger Zeit keine anderen als heute. Sie werden in dem Protokoll der Schulvorstandssitzung vom 2. Dezember 1910 auch klar benannt: „Der Schulvorstand wünschte, die Ausführung des Baues Herrn Christophersen zu übertragen, weil dadurch verschiedene Handwerker des Ortes Arbeit und Verdienst erhalten würden.“
    Im Zusammenhang mit dem Neubau der Schule macht sich der Schulvorstand auch intensive Gedanken über die Verbesserung des Hygienestatus der Schulkinder. So lesen wir in der Chronik: „Am 20. Januar [1911] wurde vom Schulvorstand der Beschluß gefaßt, für d. Schule eine Badeanstalt zu bauen. Weil eine Badeeinrichtung f. d. Schulkinder sich nicht gut mit dem Schulneubau verbinden läßt, wandte sich der Schulvorstand an die Meiereigenossenschaft in Thumby, welche ihre Zustimmung geben möchte, daß die Badeanstalt in/an dem Meiereigebäude eingerichtet werde. Hiermit erklärte sich die Generalversammlung der Meiereigenossenschaft einverstanden.“
    Ebenso geht es dem Schulvorstand während der Bauphase auch um die kindgerechte Gestaltung der Außenanlagen. Ein ähnlicher Beschluss wie damals hätte durchaus auch in diesen Tagen gefasst werden können: „Um für d. Schule einen großen Spielplatz zu erhalten, beschloß d. Schulvorstand auf einer Versammlung im März [1911], daß die Westfront des neuen Schulhauses von d. Ostfront d. alten Küsterhauses 20 m entfernt liegen soll/wird.“
    Am 11. April 1912 ist es dann so weit: Der Schulneubau wird eingeweiht.
    Das Foto zeigt den Rohbau der Schule am Tag des Richtfestes.
    Ulrich Barkholz