Früher unentbehrlich: Zeitungspapier – ein kostbares Gut

Ein kostbares Gut ist die Tageszeitung heutzutage nicht mehr. Sie landet nach dem Lesen in der Grünen Tonne. Aber die Menschen meiner Generation und noch älter werden sich daran erinnern Zeitungspapier war im Haushalt früher unentbehrlich! Es wurde zum Einwickeln und Transport der Eier benutzt, fünf oder sechs Stück in einer Reihe und dann zu einer Rolle gedreht, damit es kein Rührei gab. Zum Einpacken sonstiger Sachen, zum Ausstopfen von Schuhen, zum Fensterputzen. In der Küche auf dem Holzkasten lagen bei uns Zeitungen, um damit das Feuer in Gang zu kriegen. Anzünder kaufte man noch nicht. Gab es die überhaupt schon?
Im Winter wurden heiße Ziegelsteine mit Zeitungspapier umwickelt, die im Bett für warme Füße sorgten. Und das Wichtigste : Es wurde jeden Tag gebraucht für „Tante Meier“!
Jede Seite geviertelt, gestapelt, manchmal sogar gelocht und auf eine Schnur gefädelt, an einem Haken oder einem Nagel hing es da zur Verwendung in dem „Örtchen“. Als Lektüre konnte es wegen der schlechten Lichtverhältnisse dort sowieso nicht verwendet werden. Ich glaube, die wenigsten „Tante Meier“ waren mit elektrischem Licht ausgestattet. Bei uns zu Hause nahm man, falls es zu dunkel war, eine Taschenlampe mit oder ließ einfach die Tür auf. Man ging nach „Tante Meier“, es war keine Person, sondern ein Ort. Es sei denn, eine Tante Meier säße dort und hätte kein Papier mehr. Dann ginge man zu Tante Meier nach „Tante Meier.“ Etwas kompliziert.
Natürlich gab es auch die normalen weißen Rollen, die wir heute verwenden, aber sie wurden seltener gebraucht, weil sie eben gekauft werden mussten. Die Zeitung war in diesem Falle sehr nachhaltig, würde man heute sagen. Als überall die Wasserleitungen verlegt wurden und es dann die Spültoiletten in den Häusern gab, durfte man das Zeitungspapier dort natürlich nicht mehr zur Hygiene benutzen. Nur noch zum Lesen. Aber auch das hat sich geändert. Man findet in den heutigen Badezimmern auf den Fensterbänken meist die Apothekenrundschau.
Ich werde nie vergessen, wie der Grundschullehrer unserer kleinen Dorfschule uns ermahnte, mit dem Toilettenpapier sparsamer umzugehen. Wahrscheinlich musste für seine Begriffe viel zu oft eine neue Rolle ins Schülerklo gehängt werden. Ich habe es deshalb so in Erinnerung, weil uns der Lehrer folgenden Satz zitierte: Aller Wische gibt es Vier! Vorwisch, Abwisch, Nachwisch und Polier!
So etwas vergisst man einfach nicht. Ich habe mich schon damals als 9-jähriges Mädchen gefragt, wie das denn funktionieren sollte.
Jahre später wurden die weißen Rollen auf den Hutablagen vieler Autos spazieren gefahren. Mit einem Häkelüberzug versehen, neben einem Wackeldackel platziert, war es damals eine weit verbreitete Modeerscheinung. Außerdem galt es als sehr beliebtes Mitbringsel in die damalige DDR. Auch wir haben etliche Rollen Toilettenpapier zu unseren Freunden nach Sachsen mitgenommen. Das ging bei der Grenzkontrolle auch immer gut durch.
Und nun, im Jahr 2020, unglaublich, passierte folgendes: Einkaufswagen, bis obenhin vollgepackt mit Toilettenpapier, wurden beim Ausbruch der Corona-Krise über den Parkplatz geschoben, das kostbare Gut in Kofferräume verstaut, als könnte es diese Ware nie mehr geben. Die Folge: Klopapier ausverkauft! Ich denke, weil es ein Artikel ist, den jeder unbedingt benötigt und der vielleicht nicht mehr da sein könnte, entstand so eine Art Klopapier-Panik. Zeitungspapier – geht ja nicht mehr!
Inzwischen hat sich diese Lage wohl etwas beruhigt, und man hat schon fast ein schlechtes Gewissen, falls man sich so eine 10er Packung in den Einkaufswagen legt. Die Leute könnten ja denken, ich hamstere!
So wie mit Hefe oder Mehl, denn damit habe ich mich bevorratet!
Herta Andresen

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